Vineta

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Vineta ist der Name einer sagenhaften Stadt an der südlichen Ostseeküste. Der historische Kern der Sage geht auf die Überlieferung zu der hochmittelalterlichen Frühstadt zurück, die auch unter den Namen Jumne, Jomsburg, Julin o. ä. bekannt ist.

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Die Sage

Der Sage nach ist Vineta bei einem Sturmhochwasser untergegangen. Grund sei der moralische Verfall der Stadt, der „Hochmut und die Verschwendung der Bewohner“ gewesen. In einer der zahlreichen Varianten der Sage gab es eine Warnung: Drei Monate, drei Wochen und drei Tage vor dem Untergang der Stadt erschien sie über dem Meer mit allen Häusern, Türmen und Mauern als farbiges Lichtgebilde. Die Ältesten rieten allen Leuten daraufhin, die Stadt zu verlassen, denn sehe man Städte, Schiffe oder Menschen doppelt, so bedeute das immer den Untergang. Doch die Bewohner Vinetas kümmerten sich in ihrem Mangel an Demut nicht darum. Niemand beachtete auch die allerletzte Warnung: Einige Wochen später tauchte eine Wasserfrau dicht vor der Stadt aus dem Meer und rief dreimal mit hoher, schauerlicher Stimme:

„Vineta, Vineta, du rieke Stadt, Vineta sall unnergahn, wieldeß se het väl Böses dahn“
„Vineta, Vineta, du reiche Stadt, Vineta soll untergehen, weil sie viel Böses getan hat.“

Noch heute sollen Glocken aus den Tiefen des Meeres zu hören sein.

Historische Quellen

  • Um 965 berichtet Ibrahim ibn Jaqub von einer reichen Stadt, deren arabisch geschriebener Name in der Umschrift etwa Weltaba lautete.
  • 1075/80 schreibt Adam von Bremen von einem Seehandelsplatz auf einer Insel an der Mündung der Oder in die Ostsee, östlich des vom Erzbistum Hamburg beanspruchten Diözesangebietes, wo Slawen, Barbaren und Griechen wohnten und Sachsen Handel trieben und wo einst Harald Blauzahn Zuflucht fand. Nach der ältesten Handschrift dieser Überlieferung (11. Jhd.) war dessen Name vimne bzw. uimne, die zweitälteste Abschrift aus der Zeit um 1200 spricht an diesen Stellen von uimne und iumne bzw. jumne (im handschriftlichen Latein keine Differenzierung zwischen v und u bzw. i und j). Jüngere Abschriften geben den Namen meist in der letzteren Variante (Jumne) wieder, ein frühneuzeitlicher Druck auch als Julinum und Juminem.[1]
  • Zwischen 1140 und 1159 entstanden drei Viten des Otto von Bamberg, die den Namen Julin für die mit Sicherheit an der Stelle des heutigen Wollin gelegene Frühstadt benutzen.[1]
  • 1163/1168 kopiert Helmold von Bosau nahezu wörtlich die Passagen Adams von Bremen über diesen Ort. In der ältesten erhaltenen Handschrift von Helmolds Slawenchronik (um 1300) findet sich die Schreibweise uineta, die vom Schreiber nach iuḿta korrigiert wurde (abgekürzt für iumenta oder iumneta). In jüngeren Abschriften findet sich Jumneta, in der Kapitelüberschrift aller überlieferten Handschriften jedoch Vinneta.[1]
  • Um 1170 berichtet die nordische Knytlinga saga über die Belagerung der Jomsburg durch den dänisch-norwegischen König Magnus (1043) und einen gegen diesen Ort vom Dänenkönig Waldemar I. geführten Feldzug (1170).[1]
  • Um 1190 schreibt Saxo Grammaticus sowohl über denselben Feldzug (1170) als auch über Harald Blauzahns Aufenthalt dort, nennt den Ort aber Julin[um].[1]

Lage

Verschiedene mögliche Lagen von Vineta

Vinetariff vor Koserow / Damerow

Vineta ist der Sage nach vor Koserow (Insel Usedom) versunken. Der Historiker Wilhelm Ferdinand Gadebusch aus Swinemünde leitete hieraus und aus weiteren Betrachtungen seine These für die Koordinaten Vinetas ab. Gadebusch vertrat die Auffassung, dass eine relativ ostseeferne Stadt Vineta (bei Wollin) an der flachen Dievenow – einem Mündungsarm der Oder – gelegen, für größere Schiffe nicht anzusteuern gewesen wäre. Er suchte aus diesem Grunde Vineta an anderer Stelle.

Der Historiker David Chyträus siedelt im 16. Jahrhundert in seiner Chronicon Saxoniae Vineta „jenseits des Peeneflusses beim Dorfe Damerow“ an. Damerow ist ein Vorwerk von Koserow. Für Chyträus war das Land der Vineter (Veneter) Usedom, während Julin auf Wollin von den Pomoranen bewohnt war. Inzwischen ist bekannt, dass der Nordwesten Usedoms nie slawisch besiedelt war, sodass diese Theorie heute keine Bedeutung mehr hat.

Ruden

Ein gutes Dutzend Landkarten zwischen 1633 und 1700 verzeichnet das versunkene „Wineta“ östlich nahe der Insel Ruden vor der Peenemündung. Der Theologe Bernhard Walther Marperger beschreibt sie um 1700 an derselben Stelle. Die Anzahl der Karten ist allerdings ohne Beweiskraft, da damals Karten großenteils voneinander abgezeichnet wurden. Der Ursprung dieser Vorstellung dürfte in der Allerheiligenflut von 1304 liegen, der der größte Teil des Rudens und die damals bestehenden Verbindung nach Mönchgut auf Rügen zum Opfer fielen.

Wollin

Rudolf Virchow war überzeugt: "Vineta ist Wollin!" Adolf Hofmeister formulierte aufgrund der Quellenlage in den Jahren 1931/32 die heute in der pommerschen Historiographie allgemein akzeptierte These, dass Vineta, Jumne, Julin, Jomsborg etc. mit der Frühstadt an der Stelle des heutigen Wollin identisch sei.[1] Ausgrabungen deutscher und polnischer Archäologen seit den 1930er Jahren in der Stadt Wollin und daran anknüpfende polnische Grabungen seit den 1950er Jahren scheinen diese These zu stützen. Sie bewiesen, dass sich in der Nähe der heutigen Stadt Wollin vom 10. bis zum 12. Jahrhundert ein bedeutender Seehandelsplatz mit einer entsprechend großen multiethnischen Siedlung befunden hat.

Barth

Nach einer neueren These lag Vineta bei Barth (Goldmann und Wermusch). Hiernach ist die Peene früher nicht ins Stettiner Haff geflossen. Ein Mündungsarm der Oder soll vielmehr über Anklam und Demmin nach Barth geflossen sein. Dieser heute nicht mehr existierende Mündungsarm könnte von der unteren Oder über das Welsebruch, die Niederung der Uecker und der Randow, die Friedländer Große Wiese, durch das Tal des Großen Landgrabens und der Tollense, an Friedland und Demmin vorbei (Demmin war Hansestadt, könnte also neben der Peene an einem weiteren schiffbaren Fluss gelegen haben), durch die Niederung des Trebelkanals und der Recknitz geflossen sein. Eine grobe Betrachtung der Höhenverhältnisse stützt diese Hypothese, nach der sich jetzt Barth als „Vinetastadt“ ansieht. Allerdings konnten noch keinerlei archäologische Nachweise erbracht werden. Auch die als Beleg herangeführten chronikalischen Nachrichten des 16. und 17. Jahrhunderts können nicht unbedingt als authentisch angesehen werden.

Rungholt

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Koordinaten: 54° 28′ 0″ N, 8° 43′ 0″ O | |

Karte: Deutschland
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Rungholt
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Deutschland
Lage der Fundstätten Rungholts und Niedams im Nordfriesischen Wattenmeer
Mutmaßliche Küstenlandschaft Nordfrieslands bzw. der Uthlande vor der Sturmflut 1362 mit Rungholt und der Landschaft Strand

Rungholt war ein Kirchspiel der ehemaligen Insel Strand vor der nordfriesischen Festlandsküste. Es wurde in der Zweiten Marcellusflut (Grote Mandränke) am 16. Januar 1362 oder einer der folgenden Sturmfluten zerstört.

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Geographische Lage

Die beiden zusammengehörenden Siedlungen Grote Rungholt und Lütke Rungholt bildeten gemeinsam den Hauptort eines Verwaltungsbezirks, der Edomsharde. Diese war eine von fünf Harden der Landschaft Strand bzw. Nordstrand. Die Landschaft Strand war Teil der ab der Wikingerzeit von Friesen (den sogenannten Königsfriesen) besiedelten Uthlande. In direkter Nachbarschaft zu Rungholt lag zudem der ebenfalls versunkene Ort Niedam. Nach der Flut wurden einige Teile des ehemaligen Rungholt-Gebietes erneut besiedelt, gingen aber in der Sturmflut von 1634 unter. Von Alt-Nordstrand sind heute nur noch die Halbinsel Nordstrand, die Insel Pellworm und die Hallig Nordstrandischmoor übrig; die restlichen Gebiete gingen in der Sturmflut von 1634 verloren und sind heute Wattenmeer.

Der Untergrund Rungholts bestand aus einer Torflinse, die der Überspülung nicht widerstand. Die Sturmflut bildete einen vorhandenen Fluss zu einem tiefen und großen Priel um, der heutigen Norderhever.

Das historische Rungholt

Das Gebiet der Insel Alt-Nordstrand auf einer Karte von Johannes Blaeu, 1662. Rungholt ist im Wasser südlich der Insel eingezeichnet.

Lange Zeit gab es keinen materiellen Beleg aus der Zeit des Ortes vor 1362, der die Existenz Rungholts belegen konnte. Zeitgenössische Berichte existieren nicht mehr. Zwar hatten Chronisten des 17. Jahrhunderts wie Matthias Boetius und Anton Heimreich Sagen von einer im 14. Jahrhundert[1] untergegangenen Stadt wiedergegeben und von Funden im Watt berichtet, doch erst zwischen 1921 und 1938 spülten die Gezeiten im Watt nördlich von Südfall wieder Überreste von Warften, Bauten und Zisternen frei. Die Funde wurden systematisch erfasst und erforscht und konnten Angaben auf alten Karten bestätigen. Besonders bedeutsam ist dabei die Karte von Johannes Mejer von 1636, die selbst auf einer Karte von 1240 basieren soll. Weitere Indizien sind ein Testament von 1345 mit der Erwähnung des Namens Rungholt und eine Handelsvereinbarung mit Hamburger Kaufleuten vom 1. Mai 1361. Das Datum liegt acht Monate vor der Marcellusflut und bestätigt, dass der Ort zum Zeitpunkt der Flutkatastrophe noch bestand. Die Handelsvereinbarung und Funde von rheinischen Krügen erhärten die Vermutung, dass Rungholt der Haupthafen der Edomsharde war. Beide Urkunden befinden sich heute im Hamburger Staatsarchiv.

Der Rungholt-Forscher Andreas Busch nahm aufgrund der Anzahl und der Verteilung von Brunnenresten eine Schätzung der Einwohneranzahl vor. Dadurch schloss er auf eine Bevölkerung von mindestens 1.500 bis 2.000 Einwohnern.[2] Das ist für eine Ortschaft des 14. Jahrhunderts in dieser Gegend eine bemerkenswert große Zahl. Kiel beispielsweise hatte zu dieser Zeit genauso viele Einwohner, in Hamburg lag die Einwohnerzahl bei etwa 5.000.

Der Ursprung des Namens

Der Name Rungholt leitet sich vermutlich von der friesischen Vorsilbe Rung- („falsch“, „gering“; gleicher Wortstamm wie das englische wrong) und dem Stammwort Holt („Gehölz“) ab. Daraus ergibt sich die Bedeutung „Niederholz“; gestützt wird diese Ableitung durch historische Karten, die bei Rungholt einen kleinen Wald in hügeligem Gelände zeigen, die „Silva Rungholtina“, was in der Gegend sehr ungewöhnlich ist. Eine vergleichbare Geländeform findet sich heutzutage in den Dünen vor Sankt Peter-Ording.

Funde im Watt

Fundstücke von Rungholt

Auch in den Jahrhunderten vor der eindeutigen Identifizierung wurden diverse Beobachtungen von Siedlungsspuren überliefert. Einen der ersten Hinweise liefert die Schrift De Cataclysmo Norstandico von Matthias Boetius (gestorben 1624), der von häufigen Funden von Wegen, Gräben und metallenen Kesseln im Watt schreibt, den Untergang der Stadt jedoch nach mündlicher Überlieferung auf eine Sturmflut im Jahr 1300 zurückführte.[3] Um 1880 entdeckte ein Fischer große Holzreste im Watt an jener Stelle, an der später die Schleusen gefunden wurden; er hielt sie allerdings für ein Schiffswrack. Zudem fanden sich immer wieder Pflugspuren in alten, untergegangenen Äckern im Watt sowie Keramik und Ziegelreste.

In den folgenden Jahren wurden durch die Meeresströmungen große Mengen Schlick fortgespült. So kamen Überreste Rungholts wieder zum Vorschein, wurden allerdings sehr schnell zerstört. Immerhin konnten eine Vielzahl von Warften, Brunnen und sogar ein Deichfuß kartiert werden, die eine gute Vorstellung von der Größe der Stadt vermitteln.

Warften, Brunnen und Deiche

Viele Gebäude Rungholts standen auf Warften. Die Rungholter Warften bestanden aus Erdhügeln, die mit etwa 20 Schichten Grassoden gegen Wind und Wellen gesichert wurden. Reste von 28 solcher Warften tauchten deutlich erkennbar seit den frühen 1920er Jahren immer wieder auf und wurden von Andreas Busch sorgfältig kartiert und zum Teil beschrieben. So entstand eine Karte, die mit den überlieferten Karten Rungholts verglichen werden konnte. Dadurch war es möglich, die Warften einzelnen Orten zuzuordnen: seither ist die Lage von Lütke Rungholt, Grote Rungholt und Niedam bekannt.

Auf und zwischen den Warften wurden zudem die Reste von rund 100 Brunnen gefunden, die ebenfalls aus Grassoden errichtet worden waren. Die Brunnen hatten meist einen Innendurchmesser von etwa einem Meter und versorgten vermutlich jeweils zwei bis drei Haushaltungen. Die Schätzung der Einwohnerzahl in dieser Gegend beruht auf diesen Funden und Annahmen, die auf die Zahl der nicht gefundenen Brunnen der Gegend schließen lassen.

Eine einzige der gefundenen Warften wies keinerlei Reste von Brunnen auf. Sie lag in einem Bereich, in dem besonders viele Warftreste nahe beieinander entdeckt worden waren, dem „Acht-Warften-Gebiet“ (in dem neun Warften gefunden wurden), nordwestlich vor der Hallig Südfall. Dieser Bereich wurde als Grote Rungholt identifiziert. Er hatte eine Ausdehnung von 900 Meter in Ost-West-Richtung und 600 Meter in Nord-Süd-Richtung. Die südlichste dieser Warften (nach der Busch’schen Zählung die Warft 1), die etwa in der Mitte der Ost-West-Ausdehnung liegt, ist diese brunnenlose Warft. Da damals die Kirche das einzige Gebäude war, das keine eigene Wasserversorgung benötigte, wird diese Warft allgemein für die Rungholter Kirchwarft gehalten. Diese Vermutung wird durch die Sichtung zweier länglicher Grubenreste im Boden gestützt, die Gräber gewesen sein könnten. Damit ist vermutlich sogar das Ortszentrum bekannt.

Auf einer der beiden Warften, die zum Ort Niedam gehörten und die zwischen 1932 und 1956 beobachtet werden konnten, entdeckte Busch 1952 zwei parallele Sodenstreifen, die wohl die Mauern eines Gebäudes gebildet hatten. Die Mauern waren außen 5,30 Meter und innen 3,80 Meter voneinander entfernt; die Wandstärke entsprach einer Sodenlänge von 75 Zentimetern. Falls es sich tatsächlich um ein Grassodenhaus gehandelt hat, war es also eher eine Hütte. Grassoden waren damals in dieser Region der am weitesten verbreitete Baustoff, da Ziegelsteine wegen des Fehlens von Lehm sehr selten waren und von weit her transportiert werden mussten.

Reste einer Stadtmauer wurden zwar nicht gefunden, wohl aber die Abdrücke niedriger Deiche, die zwischen den Schleusen und den drei Orten gestanden hatten. Das Gewicht der Deiche hatte den moorigen Boden zusammengedrückt, so dass eine Bodenvertiefung übrig blieb, nachdem die Deiche fortgespült worden waren. Diese Vertiefungen wurden vermessen, und aus ihrer Breite kann man auf die Höhe des damaligen Deiches schließen: etwa zwei Meter, mit einigen Schwankungen im Deichverlauf. An einigen Stellen konnten sogar die Reste von Deichausbesserungen entdeckt werden. Dies waren Gruben, entstanden durch Sodenentnahme im ehemaligen Boden, und Pfähle zur Sicherung von neuem Material an Deichbruchstellen.

Die Schleuse

Die innerhalb der Eindeichung liegenden Wiesen und Felder wiesen Entwässerungsgräben auf, die das gesammelte Wasser zu einer Schleuse führten. Reste zweier Holzschleusen tauchten erstmals um 1880 im Watt auf, wurden aber erst 1922 als Bauwerke erkannt und durch Andreas Busch erforscht. Sie lagen etwa 500 Meter nordwestlich von Lütke Rungholt. Busch konnte zwischen 1922 und 1929 die alte und die jüngere Schleuse vermessen und einen der Balken bergen. Zwei weitere Schleusenbalken wurden 1962 gehoben.

Buschs Messungen ergaben eine Größe der alten Schleuse von etwa 20,50 × 3,30 Meter lichter Breite und für die jüngere Schleuse äußere Abmessungen von 25,50 × 5,36 Metern mit einer lichten Durchfahrweite von 4,40 Metern. Für damalige Verhältnisse waren diese Schleusen ungewöhnlich groß. Beide Schleusen waren aus Holz gebaut. Bei der älteren Schleuse konnte Busch sogar nachweisen, dass sie undicht geworden war. Sie war mit Dichtungsmaterial repariert worden und hatte einen zusätzlichen Boden bekommen; deshalb musste die jüngere Schleuse errichtet werden. Holzschleusen hatten in der damaligen Zeit eine Lebenserwartung von etwa 80 bis 100 Jahren. Daher kann man vermuten, dass die jüngere Schleuse nicht vor 1280 erbaut wurde, die ältere demnach etwa um 1200. Das war auch der Zeitraum der ersten Eindeichung des Gebietes, wodurch Schleusen erst notwendig wurden. Aufgrund ihrer geringen Tiefe können die Schleusen keine weitreichende Entwässerungswirkung gehabt haben.

Diskussion um Duerrs Lokalisierung

Im Jahr 1994 wurde die Datierung der Schleusen mit großem Presseecho angezweifelt, nachdem der Ethnologe Hans Peter Duerr weitere Funde nordwestlich der Busch'schen Funde gemacht hatte und sie als den wahren Standort Rungholts bezeichnete. Durch eine Messung mit der Radiokohlenstoffdatierung gilt das Alter der Schleusenbalken aber als bestätigt; die Funde Duerrs werden heute dem ebenfalls in der Flut untergegangenen, aber danach wieder aufgebauten Nachbarort Frederingscap vel Rip zugeordnet.

Die Legende über Rungholt

Während das wirkliche Rungholt ein bäuerlicher Handelshafen an einem gut schiffbaren Fluss war und vornehmlich aus Grassoden-Häusern bestand, wurde der Reichtum Rungholts nach seinem Untergang in immer prunkvollere Beschreibungen gefasst. Es entstanden phantastische Vorstellungen über den Reichtum und die Größe der Stadt.

Die Legende, die erstmals im Kontext der Zweiten Großen Mandränke, der Burchardiflut von 1634, von Anton Heimreich überliefert wurde, deutet den Untergang Rungholts als göttliche Strafe für lasterhaftes Leben und respektloses Verhalten gegenüber der Kirche. So sollen übermütige Bauern bei einem abendlichen Trinkgelage einen Pfarrer genötigt haben, einem Schwein, das sie zuvor betrunken gemacht hatten, die Sterbesakramente zu gewähren. Nach Drohungen und Verhöhnungen konnte der Geistliche sich in die Kirche flüchten. In der folgenden Nacht warnte ihn ein Traum vor der kommenden Katastrophe. Er konnte die Insel noch rechtzeitig verlassen. Möglicherweise geht diese Geschichte auf ein Erzählung des Caesarius von Heisterbach zurück, der in seinem Dialogus miraculorum einen fast gleichlautenden Bericht bringt, wie Gottes Zorn über eine Sakramentsschändung zu einer Sturmflut führt. Caesarius bezog sich dabei auf die Erste Marcellusflut.[4]

Zu den Legenden um Rungholt zählt auch, dass bei ruhigem Wetter seine Glocken unter der Wasseroberfläche zu hören seien und dass die Stadt unversehrt alle sieben Jahre in der Johannisnacht aus der Erde auftauche. Ähnliche Legenden ranken sich auch um andere untergegangene Orte wie Vineta.