Wunderheilung (Christentum)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Wunderheilungen sind Heilungen oder Besserung von schweren Erkrankungen, die den bekannten Naturgesetzen zu widersprechen scheinen. Diese Definition unterscheidet sie von den Spontanheilungen. Es existieren unzählige Berichte über Krankenheilungen im christlichen Kontext seit dem Auftreten Jesu bis heute, deren Wundercharakter allerdings kontrovers beurteilt wird.

Inhaltsverzeichnis

 [Verbergen

Christentum

Im christlichen Glauben kommen Wunderheilungen im Neuen Testament vor. Es wird berichtet, dass Jesus Blinde, Lahme, Aussätzige und Besessene heilte, selbst Tote zum Leben erweckte. Die theologische Bedeutung dieser Heilungen und anderer Wundertaten ist allerdings umstritten. Während manche Bibelausleger der Ansicht sind, es handle sich um übernatürliche Heilungen, welche die göttliche Vollmacht Jesu demonstrieren sollen, halten andere die Frage der Natürlichkeit oder Übernatürlichkeit der Heilungen für sekundär, vielmehr solle dadurch die heilende Zuwendung Gottes und sein Wille zur Rettung des Menschen zum Ausdruck kommen.

Wunderheilende Orte

Die meisten Wunderheilungen sind mit Wallfahrtsorten, insbesondere solchen mit Marienkult, verbunden. Herausragend sind die zahlreichen Berichte aus den beiden Orten Lourdes und Fátima. Beide Orte besitzen Ärztebüros, die sich die Untersuchung und Dokumentation von aufgetretenen Besserungen zur Aufgabe gemacht haben. Lourdes hat außerdem eine Ärztekommission und eine katholische kanonische Kommission, so dass die dort aufgetretenen Heilungen in der Vergangenheit auch die offizielle kirchliche Anerkennung erlangen konnten.

Lourdes wird von etwa 50.000 Schwerkranken pro Jahr besucht. Die Akten des Ärztebüros enthalten seit 1858 etwa 7.000 Heilungsberichte, davon wurden insgesamt 67 kirchlich anerkannt. Besondere Häufungen traten um 1900 und wieder um 1950 auf. Seither haben die gestiegenen wissenschaftlichen Ansprüche der Kommissionen die Anerkennung sehr erschwert. Die letzte Anerkennung einer Wunderheilung in Lourdes erfolgte 1978.

Das portugiesische Fátima hat als Heilort eine etwas geringere Bedeutung; Berichte über dortige Wunderheilungen sind kirchlich nicht anerkannt. Der Konstanzer Theologe und Mediziner Andreas Beck hat mit einigen Doktoranden 17 Falldokumentationen aus Fátima untersucht und veröffentlicht, den letzten aus dem Jahr 1948.

Im Frühjahr 2011 kam es in Loliondo in Tansania, etwa 400 km von Arusha entfernt zu einer ganzen Reihe von Heilungen, nachdem Kranke einen Kräutertee von einem pensionierten Pastor der ELCT gereicht bekamen. Aufgrund der Abgeschiedenheit des Ortes wurde erwogen, das Heilungszentrum nach Arusha zu verlegen, wogegen sich der Pastor jedoch wehrte. Seinen Angaben zufolge soll der Heiltee nur wirksam sein, wenn er vor Ort aus seinem Becher ausgeschenkt werde.

Wunderheilungen aus Kirchenakten

Katholische Heilig- und Seligsprechungsprozesse stützen sich auf Wunder, die der Heilige zu Lebzeiten oder später auf Fürbitte hin gewirkt haben solle. Die Arbeitsgruppe um Beck fand 43 Fallberichte aus dem Zeitraum von 1232 bis 1950, sowie 20 „Auferweckungen“ von Personen, die zuvor für tot erklärt worden waren (1232 bis 1686). Nach heutigen Kriterien kommt den Berichten, obgleich mit hoher Akribie erstellt, nur wenig Beweiswert zu.

Es ist offensichtlich, dass die abnehmende Häufigkeit von Wunderberichten, -dokumentationen und diesbezüglicher öffentlicher Diskussion im Zusammenhang mit dem Fortschritt der wissenschaftlichen Medizin steht. Wunder galten im Gegensatz zu früher als unwissenschaftlicher Aberglaube. „Die Kenntnis des Wunderbaren, so argumentieren die Wissenschaftshistorikerinnen Lorraine Daston und Katharin Park in ihrem Buch Wunder und die Ordnung der Natur, war noch für Naturforscher wie Gottfried Wilhelm Leibniz oder Robert Boyle Zeichen der Gelehrsamkeit und zugleich Schlüssel zur Natur. Erst im 18. Jahrhundert hätten die wissenschaftlichen Eliten plötzlich ihr Interesse an Wunderdingen verloren. Die Idee einförmiger und unverletzlicher Naturgesetze gewann an Boden, die per Definition keine Ausnahmen erlaubten. Niemand konnte um 1800 beweisen, dass es keine Wunder gebe. Ihre Existenz wurde jedoch unplausibel.“ [1] Der Vatikan hält allerdings noch weitgehend an seinem jahrhundertelangen Anspruch fest, Wunder rechtsgültig definieren zu können. Der von Pius X. erlassene Antimodernisteneid wurde bis 1967 von jedem Theologen verlangt: Miracula cognosco tanquam signa certissima divinitus ortae christianae religionis (ich erkenne die Wunder an als außerordentlich sichere Zeichen der von Gott herrührenden christlichen Religion). Andere Konfessionen stellen die Frage, ob Wunderheilungen tatsächlich auftreten, in das Belieben der Gläubigen.

Im Vatikan arbeitet ein mit wechselnden Medizinprofessoren besetzter Ausschuss, die sogenannte Consulta Medica, der bei allen Selig- und Heiligsprechungsverfahren prüft, ob eine dem Kandidaten zugeschriebene Heilung tatsächlich unerklärlich ist und daher als Wunder in Betracht kommt. Die Wundertätigkeit ist Voraussetzung dafür, dass ein Mensch als selig oder heilig gelten kann. [1]