Das Paradies


Der Anfang der Welt, die Erschaffung des Menschen, das Paradies und der Sündenfall – Theologen mahnen, diese Schilderungen aus der Bibel nicht als Augenzeugenberichte, sondern als Parabel von Gut und Böse und dem Walten Gottes in der Welt zu verstehen. So betrachtet ist auch der Bericht vom Paradies mehr eine Erzählung als eine Tatsachenbeschreibung. Trotzdem haben sich immer wieder Menschen aufgemacht, den Garten Eden – jenes Paradies der Menschheit – auf der Erde zu suchen.
Der Garten Eden orientierte sich an mesopotamischen Paradiesvorstellungen. Hier verloren Adam und Eva ihre Unschuld, indem sie von den Früchten des Baumes der Erkenntnis aßen, ein Motiv, das zahlreiche Maler quer durch die Jahrhunderte inspirierte. Das Wort „Sündenfall“ kommt übrigens in der Bibel nicht vor. Es wird auch nirgendwo ein Apfel erwähnt, nach dem Eva gegriffen haben soll. Im Alten Testament ist lediglich von „Früchten“ die Rede.
Das Motiv für „Eva, die Schlange und der Apfel“ lieferten vorbiblische griechische Vasenbilder, die sich auf die Sage von den Hesperiden bezogen, jenen mythologischen Hüterinnen der goldenen Äpfel, die ewige Jugend versprachen.

Blütezeit der Zivilisation
Für einige Kulturhistoriker sind die Berichte vom Garten Eden der Hinweis auf ein „Goldenes Zeitalter“, eine in der Vergangenheit gelegenen Blütezeit der Zivilisation, in der alles zwar vollkommen, aber gleichzeitig vom Verlust der Unschuld bedroht war. In China glaubten sowohl die Konfuzianer als auch die Anhänger des Lao Tse an einen längst vergangenen Zustand der Vollkommenheit. Auch könnte der Garten Eden gleichbedeutend mit den sagenhaften versunkenen Kontinenten von Atlantis, Mu oder Lemuria gewesen sein.

„…wo der Löwe nicht tötet“
Das Wort Paradies stammt aus dem Persischen und bedeutet so viel wie Garten. Es kommt aber im Alten Testament nicht vor und wurde lediglich als Zwischenüberschrift in der Einheitsübersetzung aus dem 20. Jahrhundert eingefügt. In der Urfassung ist stets nur von einem „Garten Eden“ die Rede gewesen, wobei das Wort „Eden“ sumerischen Ursprungs ist und eine Steppe bezeichnet. Das Paradies der Sumerer hieß „Tilmun“. Es war, so kann man auf assyrischen Schrifttafeln lesen, „eine Landschaft“, wo es rein, sauber und hell ist, wo der Löwe nicht tötet und der Wolf das Schaf nicht raubt.“


Arbeit als Strafe
In der Vorstellungswelt der Menschen gab es das Paradies lange vor den alttestamentarischen Erzählungen, die im 5.-2. Jahrhundert v.Chr. zusammengestellt wurden. Schon in den Schilderungen der Assyrier (4.-1.Jh. v.Chr.) und in altindischen Sagen, die von einem Baum der Erkenntnis im Garten Jinna berichteten, waren solche Vorstellungen vermerkt. So unterschiedlich die einzelnen Paradiese in den Mythen der Völker auch sind, eines haben sie gemeinsam: Arbeit war dort6 immer nur als Strafe vorgesehen.

Die Suche nach dem Paradies
Der Text im Alten Testament nennt als Standort für den Garten Eden vier Flüsse, wobei der Euphrat klar benannt ist und Bibel-Archäologen den Hiddekel für den Tigris halten. Doch wo fließen der Pison , wo der Gison? Die einen meinen, der Pison sei der Fluss Indus, andere machen ihn zum Ganges und den Gison zum Nil. Kein Wunder, dass sich immer wieder Eroberer und Glücksritter auf die Suche nach dem einstigen Garten Eden – dem verlorenen Paradies der Menschheit – machten. Es gehörte bis ins 13. Jahrhundert zu den Zielen der Kreuzzüge, mit Feuer und Schwert den Landstrich des Friedens für das Christentum zurückzugewinnen. Der Reformer Martin Luther (1483-1546) hat sich eher kritisch über die Existenz eines Garten Eden geäußert: „Möglich ist‘s, dass es also gewesen ist, dass Gott einen Garten gemacht oder ein Land beschränkt hat, aber nach meinem Dünken wollt ich gern, dass es so verstanden möchte werden, dass es der ganze Erdboden wäre.“

Der Baum der Erkenntnis
Gott pflanzte einen Garten in Eden, im Osten, und da hinein setzte er den Menschen, den er gebildet hatte. Und der Herr ließ allerlei Bäume aus der Erde wachsen, solche die lieblich zum Anschauen waren, und solche, deren Früchte gut als Nahrung waren. In die Mitte des Gartens pflanzte er den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis, des Guten und des Bösen. Es entspringt aber ein Strom in Eden und bewässert den Garten, und hinter dem Garten teilt er sich in vier Arme. Der erste heißt Pison, der zweite Gison, der dritte Hiddekel und der vierte Euphrat.
Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebaue und pflege. (Mose 1.1.2.)